Henrick Stahr


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Fotogeschichte

Dissertation Monographie: "Fotojournalismus zwischen Exotismus und Rassismus. Darstellungen von Schwarzen und Indianern in Foto-Text-Artikeln deutscher Wochenillustrierter, 1919-1939"
(Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2004, zugl. Diss Universität der Künste Berlin 2003)


 
Fachtagung Lüneburg Januar 2003
"Bildpublizistik in der Weimarer Republik"

 
Forschungsprojekt "Fotografie und Geschichte" an der HdK / UdK Berlin 1991-1993

"Berlin 1932 - Das letzte Jahr der Weimarer Republik. Politik, Symbole, Medien", mit Diethart Kerbs, Berlin 1992
(Publikation)

 
Probleme der Bildquellenforschung im Rahmen des Forschungsprojekts "Fotografie und Geschichte" an der HdK / UdK Berlin 1991-1993

 
 


Fotojournalismus zwischen Exotismus und Rassismus. Darstellungen von Schwarzen und Indianern in Foto-Text-Artikeln deutscher Wochenillustrierter, 1919-1939"
(Diss. Universität der Künste Berlin 2003)

Schwarze Besatzungssoldaten am Rhein, afroamerikanische Revuegirls, Sandino - ein indianischer Revolutionär in Nicaragua, "Negerkunst"...Themen in deutschen Illustrierten der Zwischenkriegszeit 1919-1939.


Zwischen den Extremen rassistischer Abwertung und exotischer Verklärung findet sich in Fotoberichten und Fotoreportagen dieser Zeit ein komplexes, widersprüchliches Feld von Darstellungen Schwarzer und Indianer als Beispielgruppen kultureller Alterität.
Nach dem Verlust der deutschen Kolonien begann in der Öffentlichkeit der Weimarer Republik eine Ausdifferenzierung des Diskurses z. B. über Schwarze, sowohl Afrikaner als auch Afroamerikaner. Besonders Formen kultureller Hybridität zogen das Interesse auf sich.


Um ideologische Kontinuitäten und Brüche deutlich werden zu lassen, umfasst die Untersuchung auch die Vorkriegsjahre des NS-Regimes. Die Untersuchung versucht einen Beitrag zur historischen Rekonstruktion der visuellen und textlichen Alteritätskonstruktionen von Schwarzen und Indianern in einem massenkulturellen Medium zu leisten. Die illustrierte Massenpresse und darin das Format "Foto-Text-Artikel" sind eine relevante Quelle zur Erforschung des Wahrnehmungshorizonts der Zeitgenossen. Kommerzielle und parteipolitische Illustrierte waren für eine Millionenleserschaft das wichtigste visuelle Medium.


Erstmalig wird hier eine umfassende thematische Untersuchung dieses Mediums in der deutschsprachigen Forschung vorgelegt. Sie verbindet eine genaue bildwissenschaftliche Analyse der fotojournalistischen Produktionsästhetik des Formats "Foto-Text-Artikel" mit kulturwissenschaftlichen Fragestellungen in Bezug auf visuelle und sprachliche Repräsentationsstrategien bei der Konstruktion kultureller Alteritäten.


Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf der umfassenden thematischen Dokumentation der "Foto-Text-Artikel". Exemplarisch werden ausgewählte Fotoberichte in Hinsicht auf ihre visuellen und sprachlichen Strategien sowie auf die ihnen unterliegenden ideologischen Diskurse analysiert. Wo möglich, werden Produktionskontexte und Biografien der Autoren/innen einbezogen. Themen sind u.a.: (Pseudo-)ethnografische Bildberichte (C. Ross, B. Olden, H.A. Bernatzik, K. Severin, Schultz-Kampfhenkel), Fliegende Reporter/innen (W. Mittelholzer, W. Ruge, Elly Beinhorn, Inge Stölting), die "Europäisierung" der Afrikaner als hybride Groteske und "Schwarze Gefahr", die kulturelle Emanzipation von Afroamerikanern und das Ghetto, der "aussterbende" Indianer, Schwarze in Deutschland ("Schwarze Schmach", Kolonialrevisionismus, schwarze Künstler), NS-Rassismus und Kolonialpropaganda (Ilse Steinhoff), der antirassistische und antikolonialistische Diskurs der kommunistischen Bildpresse (das "schwarze Proletariat" in USA und Afrika, die "Scottsboro-Boys"-Kampagne, der Indio als revolutionäre Utopie in Berichten von Alfons und Lina Goldschmidt und Fritz Bach).

Die Arbeit enthält eine komplette Bibliografie von 620 illustrierten Artikeln zum Thema sowie 86 Abbildungen.

Die Arbeit ist 2004 im Verlag Dr. Kovac erschienen, ISBN 3-8300-1450-3.

Sie können hier das Inhaltsverzeichnis der Publikation als PDF-Datei (lesbar mit dem Acrobat Reader) herunterladen.


Oben: Titelblatt der "Berliner Illustrirten Zeitung" von 1934, Heft 10, mit einem Foto von Wolfgang Weber

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Links: Titelblatt der "Berliner Illustrirten Zeitung", 1927, Heft 47, mit einer Titelfotografie von Hugo Adolf Bernatzik.

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Fachtagung "Bildpublizistik in der Weimarer Republik",
Universität Lüneburg Januar 2003

Anfang 2003 fand an der Universität Lüneburg eine Fachtagung zur Bildpublizistik bzw. zum Fotojournalismus in der Weimarer Republik statt, auf der der Autor den Vortrag hielt: "Koloniales Bewusstsein im Fotojournalismus der Weimarer Republik: Die Darstellung von Schwarzen in deutschen Wochenillustrierten."

Der Aufsatz ist erschienen im Tagungsband: Kerbs, Diethart; Uka, Walter (Hrsg.): Fotografie und Bildpublizistik in der Weimarer Republik. Bönen (Kettler) 2004, S. 81-95. ISBN 3-937390-38-3

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"Berlin 1932 - Das letzte Jahr der Weimarer Republik.
Politik, Symbole, Medien",
hrsg. zusammen mit Diethart Kerbs, Berlin 1992

 

Die Ergebnisse von Forschungen zur Bildpublizistik am Ende der Weimarer Republik und zu ihrer Situierung in den geschichtlichen Kontext, die im Rahmen des Forschungsprojekts "Fotografie und Geschichte" (Leitung Prof. Dr. Diethart Kerbs) an der Hochschule der Künste Berlin erarbeitet wurden, erschienen 1992 im Sammelband "Berlin 1932 - das letzte Jahr der Weimarer Republik. Politik - Symbole - Medien" (siehe Literaturverzeichnis).

Das Buch enthält Beiträge von Heinrich August Winkler, Gerhard Paul, Thomas Friedrich, Diethart Kerbs, Bernd Kruppa, Wolfgang Wippermann, Günter Reimann Klaus Rainer Röhl, Henrick Stahr und Angela Pawlik.
Es ist mit exzellenten Reproduktionen von Illustriertenseiten und Fotografien bebildert. Es hat die ISBN 3-89468-022-3 (Edition Hentrich Berlin) und ist noch antiquarisch zu erhalten.

Thema der Forschungen
Das Thema "Das Ende der Weimarer Republik im Spiegel der Bildmedien" bildete den Schwerpunkt der Forschungs- und Publikationstätigkeit des Forschungsprojekts vom Herbst 1991 bis November 1992. Die Idee, sich den letzten Jahren der Weimarer Republik zu widmen vor allem unter dem Aspekt, wie sie sich in Bildmedien verschiedener Art (Fotografie, Fotomontage, Karikatur) abgespiegelt haben, entstand aus der Arbeit und den Erfahrungen der Projektgruppe "Revolution und Fotografie Berlin 1918/1919".

Anlass
Anlässlich der zu erwartenden Veranstaltungen bei der 60jährigen Wiederkehr der sogenannten "Machtergreifung" der Nazis im Frühjahr 1993 erschien es notwendig, die Reflektion und Information auch über die Phase der schleichenden Zerstörung der Demokratie sowie der Versuche zur Gegenwehr unmittelbar vor dem eigentlichen Machtantritt der Nazis in die Öffentlichkeit zu bringen. Angesichts des Wiederauflebens wissenschaftlich längst veralteter Totalitarismustheoreme in der politischen Öffentlichkeit, die dazu dienen sollten, jegliche Verfassungsveränderungen in Richtung auf mehr Basisdemokratie - als Konsequenz des Erfolgs der Bürgeropposition in der DDR - zu verhindern, sollte sich die Ausstellung besonders mit den für die Begründung dieser Theorie relevanten Ereignissen des Jahres 1932 auseinandersetzen. Dem Arbeitsschwerpunkt des Projekts entsprechend sollte dies vor allem im Medium Fotografie geschehen und verbunden werden mit einer kritischen Geschichte des Mediums selbst, vor allem der illustrierten Presse.

Recherchen
Der erste Arbeitsschwerpunkt war die wissenschaftliche Orientierung über die Thematik, Literatur- und Archivrecherche. Recherchiert wurde insbesondere zu den Themen Preußenschlag, Mieterstreiks, BVG-Streik. Die Ergebnisse dieser Arbeiten sind in das Buch "Berlin 1932" eingeflossen.
In folgenden Archiven wurden wissenschaftliche Recherchen angestellt: - Bundesarchiv Koblenz (BAK) - Geheimes Staatsarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (GStA) - Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung/Zentrales Parteiarchiv (IfGA/ZPA) - Institut für Zeitgeschichte, München (IZM) - Landesarchiv Berlin (Kalckreuthstraße und Breite Straße) - Polizeihistorische Sammlung, Berlin Im Literaturverzeichnis der Publikation "Berlin 1932" wurden nur die Archivalien aufgeführt, die im Buch zitiert wurden und daher nachgewiesen werden mußten. In den internen Unterlagen befinden sich jedoch weit mehr Materialien als letztlich verwertet und angeführt wurden, besonders zum Thema "BVG- Streik". Als besonders ergiebig für die Thematik erwies sich das Historische Archiv der KPD, Teil des ehemaligen Zentralen Parteiarchivs der SED, aus dem auch Autoren, die nicht aus dem Forschungsprojekt stammten, Unterlagen zur Verfügung gestellt werden konnten.

Ab Anfang 1992 begann der Autor mit Recherchen des überlieferten fotografischen Quellenmaterials zu den Jahren 1930-33, vorwiegend zu 1932. Die Recherchen wurden thematisch konzentriert auf die festgelegten Schwerpunkte. Geforscht wurde in den folgenden Bildarchiven: - Landesbildstelle Berlin - Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung (IfGA), Fotoarchiv - ADN/Zentralbild (ehem. Scherl-Archiv) - Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz - Ullstein-Bildarchiv - Bilderdienst Süddeutscher Verlag (ehem. Scherl-Archiv) - ABZ - div. Privatbestände. Durchgesehen wurden ca. 3000 Fotografien, aus denen schließlich 400 in die engere Wahl genommen wurden, die in Form von Fotokopien im Büro des "Forschungsprojekts" gesammelt sind. Für die Tagung und die Publikation wurde aus ihnen schließlich die enge endgültige Auswahl getroffen. Diese fotokopierten Fotos sind stichwortartig systematisiert und mit allen Angaben aus den Fotoarchiven versehen (Beschreibungen, Signaturen), so daß anhand dieser Unterlagen problemlos die entsprechenden Fotos in den Archiven gefunden und Recherchen weitergeführt werden konnten/können.

Anfang April 1992 begannen Stephanie Ketzscher und der Autor mit der Auswertung der illustrierten Presse des Jahres 1932, da besonders die Verbreitung von fotografischen Bildern in der damals hochmodernen Massenpresse Untersuchungsschwerpunkt des Forschungsprojekts sein sollte. Zu diesem Zweck wurden die Recherchen ausgeweitet. Untersucht und zum überwiegenden Teil auch in der Publikation "Berlin 1932" verwertet wurden folgende Illustrierte, illustrierte Beilagen von Wochen- oder Tageszeitungen und Tageszeitungen selbst: - Arbeiter-Illustrierte-Zeitung (AIZ), (Neuer Deutscher Verlag, Berlin) - Berliner Illustrirte Zeitung (Ullstein, Berlin) - Der Rote Stern, Beilage zur Roten Fahne - Der Welt-Spiegel, Beilage des Berliner Tageblatt (Mosse) - Deutsche Illustrierte (Verlag Die Deutsche Illustrierte, Berlin) - Die Rote Fahne - Die Weltbühne, 1932. Jahrgangsband 1932 I/II, hrsg. von Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky. Berlin. - Die Woche (Scherl, Berlin) - Die Wochenschau (Girardet, Essen) - Frankfurter Illustrierte (Verlag der Frankfurter Sozietäts-Druckerei) - Illustrierte Republikanische Zeitung (IRZ), (Verlag J.H.W. Dietz Nachf., Berlin) - Illustrierter Beobachter (Verlag Franz Eher Nachf. München) - Kölnische Illustrierte Zeitung (Verlag DuMont Schauberg, Köln) - Magazin für alle (Neuer Deutscher Verlag, Berlin) - Münchener Illustrierte Presse (Knorr & Hirth, München) - Neue IZ (Verlag Guido Hackebeil, Berlin) - Volk und Zeit, Beilage zum Vorwärts - Vorwärts - Vossische Zeitung (Ullstein, Berlin) - Zeitbilder, Beilage der Vossischen Zeitung (Ullstein, Berlin) Diese Illustrierten etc. befanden sich weit verstreut über zahlreiche Archive und Bibliotheken der Stadt: - Amerika-Gedenk-Bibliothek - Institut für Publizistik der Freien Universität Berlin, Malteserstraße - Otto-Suhr-Institut der FU Berlin - Bibliothek der Historischen Kommission zu Berlin - Staatsbibliothek Unter den Linden - Staatsbibliothek Potsdamer Straße - Universitätsbibliothek der TU Berlin - Universitätsbibliothek der FU Berlin - Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität Berlin - Kunstbibliothek Jebenstraße - Bibliothek des Instituts für die Geschichte der Arbeiterbewegung - Polizeihistorische Sammlung Berlin. Nachfragen wurden ebenfalls gestellt an: - Archiv des Freien Deutschen Gewerksschaftsbundes (FDGB), Berlin - Archiv der Berliner Verkehrsbetriebe (BVB) - Archiv der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) - Heimatmuseum Tiergarten.

Archiv
Aus allen Reproduktionen von in den Illustrierten 1932/33 veröffentlichten Einzelfotos und Fotoreportagen legte das Projekt ein speziell auf die Thematik ausgerichtetes Fotoarchiv an. Es enthält auf Karteikarten erfaßt alle recherchierten und fotografierten damals veröffentlichten Fotografien (Negative und Positive) und dazu einige Einzelbilder aus dem Archiv Willy Römer (ABZ) sowie aus dem IfGA/ZPA, außerdem Zeitungstitel und -seiten aus den Sammlungen von Thomas Friedrich und von Diethart Kerbs sowie Reproduktionen von Karikaturen von Karl Holtz aus dem "Wahren Jakob" des Jahres 1932. Insgesamt besteht das Archiv aus 330 Karteikarten, die je einen Positivabzug enthalten und mit allen bibliographischen Angaben versehen sind sowie mit der Negativnummer und evtl. einer Kurzinterpretation des Fotos bzw. des Bildberichts.

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Probleme der Bildquellenforschung - einige Beispiele [Stand 1992, H.S.]
Anders als für schriftliche Quellen hat die Geschichtswissenschaft bis heute keine eigenständige Methodik der Quellenkritik für fotografische Abbildungen entwickelt, die über die berühmten kriminalistischen W-Fragen zum Einzelfoto hinausgehen. Ebenso gibt es sehr wenige Editionen von Fotos als historische Quellen, Darstellungen also, die nicht allein "schöne alte Fotografien" abbilden, sondern die Fotografien in ihrem Entstehungs- und Rezeptionskontext darstellen, neben der genauen Rekonstruktion des Bildgehalts im Ereigniszusammenhang oder in Biographien. Zwar sind die großen Fotoarchive bemüht, ihre z.T. gigantischen Fotobestände gut zu verwalten und die Informationen zu den Einzelfotos korrekt zu recherchieren und zur Verfügung zu stellen, doch sind ihnen kapazitätsmäßig aufgrund der enormen Quantitäten der Bilder enge Grenzen gesetzt. Unvollständige, oberflächliche oder falsche Bildbeschreibungen und Datenangaben zu den Bildern sind deshalb ein häufiges Problem. Eine große Schwierigkeit bei der Untersuchung von Fotografien als historische Quellen liegt im Umstand, daß vielfach den Angaben der Archive nicht zu trauen ist und eigentlich bei jedem Bild ihre Korrektheit überprüft werden müsste. Dabei ergibt sich oft bei der Recherche in einem engeren thematischen Feld, daß Fotos der gleichen Serie (angefertigt offenbar vom selben Fotografen) oder aus der gleichen Situation (angefertigt von mehreren Fotografen/Foto- Reportern) auftauchen, die eine situative, zeitliche und örtliche Zuordnung des Einzelbildes erst ermöglichen. Solche Recherchen können äußerst zeitaufwendig sein, da man hier auf Zufallsfunde angewiesen ist.
Wer der Fotograf eines Bildes war, ist speziell 1932 nur sehr selten (meist nur bei mehrbildrigen Fotoberichten, deren Autor nachgewiesen wurde) zu identifizieren: Die große Mehrheit der damaligen Pressebilder stammte bereits aus Agenturen, die den einzelnen Fotografen die Bilder abgekauft hatten; daher wurden die Fotografen meist nicht als Urheber der Bilder erwähnt. Um möglichst genaue Informationen über das Einzelfoto zu bekommen, ist es notwendig, wenn möglich den Erstabzug bzw. das Original des Fotos im Archiv einzusehen - eine Bitte, der manche Archive (besonders die kommerziellen) nur ungern nachkommen: so unterscheiden sich die Informationen auf einem heutigen Aufkleber des Ullstein-Bilderdienstes auf der Rückseite eines neuen Abzugs von einem Archivfoto oft sehr von denen, die auf der Rückseite des alten Originalpositivs zu entdecken sind. Dort befinden sich oft detaillierte Informationen: z.B. Aufnahmedatum, Orts- und Personennamen, sogar Retuschieranweisungen, Ersterscheinungsdatum und in welcher Zeitung/Zeitschrift das Foto erstmals gedruckt wurde. Mit Hilfe dieser Daten lassen sich solche Fotos in den entsprechenden Illustrierten und sogar Tageszeitungen (soweit noch existent) wiederfinden und sich ihr Kontext sehr viel genauer rekonstruieren.
Problem Retuschen: Es war damals keineswegs selten, daß bei der Veröffentlichung von Fotos in Illustrierten mit Retuschen, Montagen etc. eine bessere optische Wirkung oder eine dichtere oder andere inhaltliche Aussage von Fotos fabriziert wurde. Die Retuschiertechnik war damals bereits gut genug, daß man oft Schwierigkeiten hat, eine Manipulation zu erkennen. Man braucht dazu den Vergleich des Originals mit dem veröffentlichten Bild. Es ist eine mühselige Arbeit, das passende Original zum retuschierverdächtigen Pressebild zu finden. Beispiele für solche detektivische Recherchearbeit finden sich im Buch "1932" auf den Seiten 32, 36, 108 und 162.
Ein weiteres Problem der Recherchen war, daß sich bestimmte Artikel keineswegs in allen Ausgaben einer Illustrierte befanden: Ein Beispiel dafür ist der Bildbericht der AIZ über den BVG-Streik vom 13. November 1932. Er erschien nur in der Berliner Regionalausgabe der AIZ, die sich wiederum nur im Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung finden ließ, während in den Ausgaben in anderen Archiven auf den selben Seiten ganz andere Artikel auftauchten. Auch hier muß der Zufall zu Hilfe kommen, weil man in der Regel nicht von einer Illustrierte auch die unterschiedlichen Regionalausgaben systematisch durchsehen kann. Zumindest schärfen solche Erfahrungen das Bewußtsein dafür, daß bei den Recherchen kaum sorgfältig genug vorgegangen werden kann, was Untersuchungen von Fotografien zu einem äußerst zeitintensiven Unternehmen macht.
Die generellen und tieferliegenden Probleme des Umgangs mit Fotografien als historischen Quellen: wie, wann und warum historische Ereignisse fotografisch erfaßt wurden, welche Aspekte eines Ereignisses fotografisch erfaßbar waren und für "wert" erachtet wurden, fotografiert zu werden, in welcher optischen Form und welchem sprachlichem Kontext Bilder publiziert und endlich von den Lesern rezipiert wurden, sollen hier natürlich nicht ausgebreitet werden. Ansätze und Beispiele des konkreten Umgangs mit den Fragen der Interpretation von Fotografien als Quellen in historischen Ereigniskontexten enthalten verschiedene Artikel des Buches "Berlin 1932".

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Beispiel aus Buch "1932"

 

Tagung "Berlin 1932 - das letzte Jahr der ersten deutschen Republik", 6./7.11.1992, Akademie der Künste Berlin

Die wissenschaftliche Tagung mit dem Titel "Berlin 1932 - das letzte Jahr der ersten deutschen Republik" wurde geplant und durchgeführt in Kooperation mit dem "Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart" und unterstützt von ABZ e.V. (Arbeitsgemeinschaft für Bildquellenforschung und Zeitgeschichte). Die zweitägige Tagung hatte ein doppeltes Thema: zum einen befaßte sie sich mit exemplarischen Problemen/Themen der politischen und sozialen Situation am Ende der Weimarer Republik, bezogen auf Berlin. Diese Themen waren:

- Die Ursachen und Funktion der Gewalt in den sozialen und politischen Kon flikten (gewaltsame Konflikte zwischen der planmäßig aggressiven SA, kom munistischen Organisationen und der Polizei. Beispiel: Mieterkämpfe/Moabiter Unruhen Juni 1932).

- Das Verhältnis der beiden Arbeiterparteien zueinander, ihre gegenseitige Einschätzung und Darstellung (Beispiel: BVG-Streik) und ihr jeweiliges Verhältnis gegenüber der nationalsozialistischen Bedrohung.

- Der "Preußenschlag" vom Juli 1932, als beispielhaft für die Zerstörung der demokratischen Institutionen durch das nationalkonservative Lager.

- Außerdem setzte sich die Tagung in einem medien- und fotogeschichtlichen Teil auseinander mit der Situation der Pressefotografie und der illustrierten Presse 1932 und der fotografischen Überlieferung ausgesuchter Ereignisse der Zeit.

Zur Tagung erschien das Begleitbuch im Verlag Edition Hentrich Berlin mit dem Titel "Berlin 1932 - das letzte Jahr der Weimarer Republik. Politik, Symbole, Medien", in dem Beiträge der Tagung und weitere Aufsätze versammelt sind.

Die Tagung wurde von 100-120 Teilnehmern besucht.Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer kamen aus dem Ostteil Berlins, Potsdam, Leipzig und anderen Orten der neuen Länder. Es waren auch ausländische Teilnehmer aus den USA, Japan und Frankreich anwesend. Im einzelnen besuchten die Tagung Vertreter und/oder Angehörige verschiedener wissenschaftlicher und Bildungsinstitutionen: - des Hauses der Geschichte, Bonn; - der Universitäten Hamburg, Potsdam, Leipzig und der drei Berliner Universitäten (FU, TU, Humboldt-Universität); - des Landesarchivs Berlin; - der Historischen Kommission Berlin; - des Märkischen Museums und anderer Berliner Bezirks- und Heimatmuseen; - der Berliner Geschichtswerkstatt; - der Kulturinitiative '89; - des Aktiven Museums Faschismus und Widerstand - und des Luisenstädtischen Bildungsvereins.

Die Tagung wurde vom Präsidenten der HdK, Dr. Olaf Schwencke, von Dr. Tobias Böhm vom "Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart" (anstelle des verhinderten Udo Gößwald) und von Prof. Diethart Kerbs für das Forschungsprojekt eröffnet.

Eine Besonderheit und Bereicherung der Tagung stellte die Teilname des fast 88jährigen Günter Reimann aus New York dar, der als Zeitzeuge - er war 1932 am BVG-Streik beteiligt - die Referate der Wissenschaftler ergänzen und kritisieren konnte. Besonderes Lob fanden die wegen der guten Vorarbeit Stefanie Ketzschers qualitätvollen Reproduktionen.


TAGUNGSPROGRAMM:
"BERLIN 1932 - Das letzte Jahr der ersten deutschen Republik"


Freitag, d. 6. November 1992

10.30 Uhr Eröffnung der Tagung, Dr. Olaf Schwencke, Begrüßung Präsident der HdK; Udo Gößwald (Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart); Prof. Diethart Kerbs (HdK)
11.00 Uhr 1932 - Schicksalsjahr der Weimarer Republik aus der Sicht eines Beteiligten, Günter Reimann (New York), ehemals Wirtschaftsredakteur der "Roten Fahne")
12.00 Uhr Das letzte Jahr der Weimarer Republik, Prof. Heinrich A. Winkler (Humboldt Univ., Berlin)
14.30 Uhr Mieterkämpfe, Mieterstreiks 1932, Henrick Stahr (HdK)
15.30 Uhr Der "Preußenschlag" am 20. Juli 1932 und das Scheitern des sozialdemokratischen Antifaschismus, Prof. Wolfgang Wippermann (FU Berlin)
17.00 Uhr Abgebildete und geschehene Geschichte: Das Jahr 1932 im Spiegel der Bildmedien, Prof. Diethart Kerbs (HdK Berlin)

Samstag, d. 7. November 1992

10.30 Uhr 5 Tage im November: Kommunisten, Sozialdemokraten und Nationalsozialisten im Berliner BVG-Streik von 1932, Klaus Rainer Röhl (Köln)
11.30 Uhr Der politische "Symbolkrieg" 1932, Dr. Richard Albrecht (Bad Münstereifel)

 

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